Ostfriesische Teekultur als Immaterielles Kulturerbe

Im Jahr 2013 ist Deutschland dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Drei Jahre später stellte das Ostfriesische Teemuseum Norden im Namen der Ostfriesischen Landschaft, der Heimat- und Kulturvereine Ostfrieslands sowie des Museumsverbundes Ostfriesland den Antrag auf Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe. 
Im Dezember 2016 wurde die Ostfriesische Teekultur in das deutsche Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. 

Urheber: Ostfriesische Landschaft Aurich

Weitere spannende Informationen zur Ostfriesischen Teekultur finden Sie auf der Homepage der Ostfriesischen Landschaft Aurich: https://www.ostfriesischelandschaft.de/2936.html

Was wäre Ostfriesland ohne Tee? Undenkbar! Die Teekultur ist die Ostfriesland einende Kulturpraxis. Seit rund 300 Jahren ist Ostfriesland ein Teetrinkerland. Auch der Tee selbst ist eine Besonderheit, denn bei der „echten ostfriesischen Mischung“ handelt es sich um eine kräftige Schwarzteemischung vorwiegend aus Assamtees, die sich nur dann „echt“ nennen darf, wenn sie in Ostfriesland gemischt und verpackt wurde. Heute gibt es noch vier Teefirmen in Ostfriesland, die diese Mischung herstellen. Drei von ihnen haben ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert. Auch die Verbrauchszahlen beeindrucken: Wäre Ostfriesland ein eigenständiges Land, wäre es mit 300 Litern Teeverbrauch pro Kopf und Jahr Weltmeister im Teetrinken, gefolgt von Kuwait, Irland und Großbritannien. Deutschland als Ganzes – die Ostfriesen eingerechnet – kommt gerade einmal auf 26 Liter.

Entstehung und Wandel

Die frühesten Belege für Tee in Ostfriesland stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der zunächst den begüterten Schichten vorbehaltene Tee wurde im 18. Jahrhundert zunehmend zum Alltagsgetränk. Bereits 1718 findet sich in einer in Halle erschienenen Schrift der Hinweis, dass es in Ostfriesland „wolle Mode werden, Tee zu trinken“.

Für die Ausbreitung des Teetrinkens in Ostfriesland war u.a. die Werbung des Tees durch die Calvinisten und Pietisten als gottgefälliger Ersatz für den weit verbreiteten, übermäßigen Alkoholkonsum von großer Bedeutung. Ein weiterer Grund ist in der schlechten Wasserqualität in den Küsten- und Moorlandschaften zu finden. Durch das Abkochen und den Zusatz möglichst kräftigen Tees wurde das Wasser genießbar. Zudem machte das belebende Warmgetränk das raue Klima erträglicher. Um den Nährwert des Bieres zu ersetzen, wurde dem Tee Zucker und Sahne zugegeben. Die Sahne wurde dabei noch bis ins 20. Jahrhundert in vielen Familien von der Milchkumme, die in der Stube stand, abgeschöpft. Von dieser Praxis leitet sich die flache, breite Form des Rohmlepels ab. Die Weitergabe der Teekultur findet innerhalb der Familien statt. Oft wird nicht nur die Teezubereitung und das Teetrinken sowie das Teegeschirr und –zubehör, sondern auch die Bevorzugung einer speziellen Teemischung in der Familie weitervererbt. Die Teestunde steht für das Zusammenkommen und Zusammensein der Familie, für Arbeitspausen und Momente des Innehaltens bzw. Pausierens im Alltag.

Heutige Praxis

In Ostfriesland werden bis zu sechs Teezeiten am Tag durchgeführt. Eine Einladung zur Teetied ohne Zeitangabe bedeutet, dass man um 15 Uhr erwartet wird. Zunächst wird loser Tee in eine vorgewärmte Kanne gegeben. Dann wird der Tee mit sprudelnd heißem Wasser bedeckt. Erst nach dem Ziehen wird die Kanne aufgefüllt. In jede Tasse wird nun ein Stück weißer Kandiszucker, Kluntje genannt, gelegt. Knistert der Kandis beim Einschenken nicht, ist der Tee nicht mehr heiß genug. Zuletzt legt man mit dem Sahnelöffel etwas Sahne am Rand der Tasse auf dem Teespiegel ab. Gerne geschieht dies gegen den Uhrzeigersinn, um symbolisch während des Teetrinkens die Zeit anzuhalten. Die Sahne sinkt zunächst nach unten und steigt dann nach oben. Hierbei entsteht ein wolkenähnliches Gebilde, das Wulkje. Der Tee wird in der Regel nicht umgerührt, um mit jedem Schluck einen anderen Geschmack zu genießen: zunächst die Milde der Sahne, dann den kräftigen Tee und zum Schluss die Süße des Kandis. Ist der Tee getrunken, wird ohne Aufforderung nachgeschenkt. Dabei gilt: Dree is Ostfreesenrecht, drei Tassen trinkt man in der Regel also mindestens. Möchte man keinen Tee mehr, stellt man den Löffel in die Tasse. Zum Tee wird in der Regel Teegebäck oder zu besonderen Anlässen Rosinenbrot mit Butter gereicht.

 

Verwendet wird dünnwandiges Porzellangeschirr, traditionell mit den Dekoren ostfriesische Rose oder dem Strohblumenmuster. Für alle verwendeten Gerätschaften, vom Tüllensieb über die Zuckerzange bis zum Sahnelöffel, haben sich eigene Formen und Muster herausgebildet, auf deren Anfertigung bzw. Dekoration früher Silberschmiede, Stövchenmacher oder Porzellanmaler spezialisiert waren.